Auf Kante...

Was für ein Geschaukel

Um von El Hierro weg zukommen, müssen wir erst mal aufkreuzen. Von Beginn an sind vor allem die Wellen echt ätzend: gar nicht mal so hoch, aber sehr kurz, ein tierisches Gehackel. Mir ist dementsprechend schlecht und es handelt sich hier bei weiten Streckenabschnitten um "Liegendtransport".

Bis der Autopilot Alarm piepst. Wir versuchen ihn wieder zum Laufen zu bringen. Während ich das Steuer übernehme, zieht Ansgar alle Register, um das gute Teil zur Mitarbeit zu überzeugen. Leider erfolglos. Die Windsteueranlage muss übernehmen und tut ihren Dienst auch ganz prima. Wir haben während der gesamten Fahrt viel Wind und immer wieder heftige Böen mit gut 35 kn. Kein Problem für die mechanische Windsteueranlage.

Kurz vor der Insel dreht der Wind glücklicherweise etwas in östliche Richtung, so dass unser Kurs in Form einer Banane letztlich genau auf La Palma zuläuft. In Inselnähe wird der Wind allerdings so bockig (von über 30 kn auf 5 kn von jetzt auf gleich und wieder zurück), dass ich die letzten drei Stunden wieder per Hand steuern muss. Schön eingepickt und am Steuerrad klammernd ist das ein kräftezehrendes Unterfangen, aber zeitlich absehbar. Im Windschatten von La Palma angekommen muss der Motor dann ran, da der Wind hier gänzlich eingeschlafen ist. Die ersten Bilder von der Zerstörungskraft des Vulkanausbruchs an der Cumbra Veja verschlagen einem die Sprache, aber dazu gleich mehr...

Am Abend kommen wir in der Marina Tazacorte an. Der freundliche und hilfsbereite Marinero gibt uns über Funk durch, dass er schon auf uns wartet und ein gutes, bequem anzulaufendes Plätzchen für uns hat. Wir gleiten förmlich in unsere Parkbox. Angekommen auf La Palma.

Der Vulkanausbruch an der Cumbra Veja

Der Cumbra Veja-Vulkan hat von September bis Dezember 2021 getobt. Der längste auf La Palma jemals gemessene Ausbruch. Die Zerstörung ist gewaltig, und obwohl uns der Anblick aufgrund der Nachrichten und Fotos nicht unvorbereitet trifft, sind wir erstmal total geschockt. Es treibt einen die Tränen in die Augen.

Die Inselbewohner betonen immer wieder, welchen Krach der Ausbruch über diese lange Zeit verursacht hat. An den Bildern von der Ortschaft nahe Puerto Naos sieht man, wie nah´ beieinander Freud und Leid sein können. Diesen Urgewalten hat der Mensch nichts entgegenzusetzen. Während auf der Westseite des Vulkans die Lavaströme ihren Weg ins Meer gesucht (und gefunden) haben und dort zu einer meterdicken betonartigen Schicht erstarrt sind, ist auf der Rückseite des Vulkans im Erholungsgebiet El Pinar alles voll Asche: schwarze Pisten soweit das Auge reicht. Eine Straße, die durch das Gebiet führt, wurde gerade erst wieder für den Verkehr freigegeben. Überall stehen aber noch Guards, damit keine Besucher den Weg verlässt!

 

Wasch- und Reparaturtage

Wie immer kümmern wir uns erst mal um unser Boot, bevor wir auf Inselerkundung gehen. Freunde von uns, die wir 2020 auf den Azoren kennengelernt haben, treffen wir hier wieder, und wir machen uns ein paar schöne Abende bei Wein und guten Gesprächen.

Unser Autopilot git uns Rätsel auf. Ansgar baut nun schon den vierten Elektromotor ein. Die Kohlebürsten sind wieder komplett durch, und bei diesem Modell sind die Teile festgelötet und lassen sich nicht ersetzen. 

Der Einbau des neuen Motors gestaltet sich diesmal schwierig, weil die Schrauben nicht so wollen wie Ansgar.

Alles in allem eine unbefriedigende Situation, denn man weiß ja nie, wann der nächst Ausfall bevorsteht. Wir wenden uns mit unseren Sorgen nochmal an den Hersteller und hoffen, dass er uns nicht wieder auf eine falsche Handhabung und inkorrekte Einstellung verweist.

Und tatsächlich: Unsere Rechnung, dass wir fast pro 1000 sm einen Motor verbrauchen, lässt ihn hellhörig werden. Er verspricht uns, sich für uns nach einem stärkeren Motor ohne Bürsten umzusehen, der in unsere Hydraulik-Einheit passt. Das wird sicher ein bisschen Zeit in Anspruch nehmen. Solange müssen wir mit dem alten System klarkommen. Aber die Hoffnung, dann mal eine Lösung für dieses Problem zu haben, beruhigt uns sehr. 

 

Ausflug in den Insel-Norden

Mit dem Mietwagen machen wir uns zunächst mal in den Norden der Insel auf. Am Mirador El Time auf fast 600 m Höhe haben wir einen fantastischen Ausblick auf die größte Stadt der Insel, Los Llanos, die mit Bananen-Plantagen angefüllte Umgebung bis zum Puerto de Tazacorte und auf den immer noch rauchenden Vulkan.

Bei bestem Wetter, angenehmen Temperaturen und wolkenlosem Himmel fahren wir die Westküsten entlang bis nach Garafia (Santo Domingo). Gefühlt lassen wir keinen der zahlreichen Aussichtspunkte, Mirador genannt, aus. Jeder ist einen Stopp wert und wir sind wie im Rausch. 

La Palma wird auch "Isla Bonita" genannt. Was sonst!

 

Entlang der Westküste

Sternen-Observatorium am Roque de los Muchachos

Unser Besuch im Observatorium ist in vielfältiger Hinsicht überaus lohnend: die Fahrt dorthin, die Aussicht von dort, die riesigen Teleskope inklusive der drei Spiegel-Teleskope, die dort in der Sonne blinken, und das architektonisch ansprechende Informationszentrum für Touristen, das nach einer Einführung mit einem Videofilm in verschiedenen Sälen über die Arbeit der Astrophysiker hier, die Insel und die Zusammenarbeit unterschiedlichster Nationen (31) an diesem Projekt aufklärt. Wir können die ganze Informationsflut kaum verpacken - ich hadere vor allem mit den interaktiven Anwendungen. Während andere Besucher hier virtuos drauf rumdrücken (vor allem die Kinder), weigern sich die Systeme auf meine Anforderung zu interagieren. Nach einigen erfolglosen Versuchen stelle ich mich brav in die zweite Reihe und schaue den jüngeren Wissensdurstigen über die Schulter...

Aber wie auch immer, hier könnte man Tage verbringen, das Lernangebot ist immens und alles top modern!

 

Von hier geht's das kurze Stück weiter auf den Gipfel des Roque de Los Muchachos, von wo wir zum ersten Mal einen Überblick bekommen, wie riesig und schön die Caldera de Taburiente ist.

Unser Rückweg führt uns über Santa Cruz. Es ist schon ziemlich spät, aber es reicht noch für einen Spaziergang durch die schöne Altsadt, ein Glas "Zumo Naturale" und den Besuch der historischen Balkone in der Avenida Maritime.

 

La Cumbresita

Vom  Mirador de La Cumbresita am südlichen Rand der Caldera de Taburiente genießen wir im spektakulären Licht der Abendsonne die Aussicht auf eine fantastische Vulkanlandschaft und ihre einzigartige Flora. Auf dem Weg hierher haben wir einen Abstecher zur Eremita de la Virgin de Pino gemacht. Hier ist ein einzigartiges Ökoprojekt zu bestaunen, um "die Kiefer der Heiligen Jungfrau" zu retten. Dieser gigantische Baum muss ca. 800 Jahre alt sein. Der Sage nach hat ein Soldat an seinem Stamm eine Skulptur der heiligen Jungfrau gefunden. Ihr zu Ehren wurde an dieser Stelle eine kleine Kapelle gebaut, die zusammen mit dem später angelegten Parkplatz und Straßen dem Baum zu schaffen machte und ihm fast seine Lebensgrundlage entzog. In umfassenden Restrukrurierungsmaßnahmen wurde die kleine Kapelle in ausreichender Entfernung zum Baum neu aufgebaut, der Baum gesund geschnitten und gepflegt und um ihn herum ein Biotop geschaffen, das dem natürlichen Habitat einer Kiefer entspricht und den Baum mit allen wichtigen Nährstoffen versorgt.

Wie an so vielen Stellen auf dieser Insel zeigt sich hier, mit wieviel Feingefühl, architektonischem Geschick und Respekt vor der Natur Baumaßnahmen, egal ob Häuser, Aussichtspunkte, Touristen-Informationszentren oder für Schwimmer angelegten Badestellen, durchgeführt werden. Die Gebäude passen sich teils so dezent in die Natur ein, dass sie mit dem bloßen Auge aus einigem Abstand schon nicht mehr richtig wahrzunehmen sind. Dabei sind sie häufig top modern. Wir sind begeistert.

Bananen und Salinen ganz im Süden

Unser Weg in den Süden, der wegen des Vulkanausbruchs über die Ostküste erfolgen muss, ist landschaftlich wieder komplett anders, als alles, was wir bisher gesehen haben.

Unser Ziel sind die Salinen ganz im Süden der Insel, nahe dem kleinen Städtchen Fuencaliente. Hier wird nach alter Tradition Salz geerntet und für Touristen gibt es einen Rundwanderweg, auf dem die verschiedenen Stadien der Salzgewinnung erklärt werden. Auch hier steht es ein chicker Bau, in dem ein kleines Touristenbüro und ein tolles Restaurant untergebracht sind - angepasst in die natürliche Umgebung, als ob dort hingewachsen. Glücklicher Umstand, dass die Lava des benachbarten Vulkans Teneguia, der 1971 ausgebrochen war, kurz vor den Salinen (aber ganz kurz!) gestoppt und keine weiteren Zerstörungen angerichtet hat. Die Salinen werden nach alter handwerklicher Tradition heute noch bewirtschaftet und jährlich ca. 600 Tonnen Salz geerntet.

 

Der Süden von La Palma ist ebenfalls reich an Bananen-Plantagen: Bananen soweit das Auge reicht! Auf dem Rückweg genießen wir daher noch einmal ausgiebig den Blick vom Mirador Cumbre in die grandiose und vielschichtige Vulkanlandschaft.

 

Der Nord-Osten

Wir wollen zum Charco Azul, einem Natur-Schwimmbad an der Ostküste. Auf dem Weg dorthin zwingt uns eine Straßensperre zu einem Umweg über Las Nieves. Was für ein Glück. Es geht durch eine malerische Schlucht (Barranco de Las Nieves), die trotz des heute etwas bedeckten Himmels durch ihre Form, Tiefe und dicht grüne Vegetation beeindruckt. 

Auf unserem weiteren Weg bleiben wir in San Andrés hängen und finden hier einen winzigen malerischen Ort mit schöner Kirche, gepflegten kleinen Häusern, absoluter Ruhe und einem gemütlichen kleinen Restaurant, in dem wir von leiser Klaviermusik eingelullt im Schatten unseren Zumo Naturale schlürfen. Paradise Island!

Wir verzichten aufgrund des wolkigen Wetters zwar auf ein Bad im Charco Azul. Die Anlage hält aber, was im Reiseführer versprochen wurde. Wieder einmal sind wir beeindruckt von der Natur, aber eben auch von dem Fingerspitzengefühl, mit dem die Inselregierung hier für Einwohner und Reisende Erholungsplätze schafft.

Tankreinigung: eine knappe Sache

In der Werft in Tazacorte wollen wir unseren Dieseltank reinigen lassen. Die Jungs arbeiten kräftig, bis der Deckel vom Mannloch überhaupt aufzubekommen ist. Dann wird der restliche Diesel abgepumpt. Da der Zugang zum Tank derart knapp bemessen ist, passt Saul, der nette Mitarbeiter der Werft Nautica, mit seinen muskulösen Armen da leider überhaupt nicht rein, ein Sauger könnte das Problem auch nicht lösen. Also müssen wir selber ran, d.h. es trifft mal wieder die kleinste Crew...

Ich krieg einigermaßen alles raus, was zumindest in diesem Abteil vom Tank so vorhanden ist. Glücklicherweise handelt es sich dabei praktisch kaum um Dieselpest, sondern vor allem um Verunreinigung vom Kraftstoff selbst.

Wir verwenden immer Grotamar; das scheint also gut zu wirken! 

Gut vorbereitet in den Mast

Der überaus ruhige Liegeplatz in der Marina - unser Boot bewegt sich praktisch überhaupt gar nicht - veranlasst uns, endlich unsere Ankerlaterne von Lopolight auszutauschen. Lopolight ist eine volle Enttäuschung: Mehrer Male sind die Positionslichter schon ausgefallen, und unsere Ankerlaterne, die mit dem Dreifarbenlicht kombiniert ist, funzelt von Anfang an nur düster vor sich hin. Also entschließen wir uns, eine andere Laterne einzubauen, diesmal von Hella.

Alles, was im Mast notwendig sein könnte, wird in den Eimer gepackt und an der Leine hochgezogen. Ansgar muss trotzdem leider zweimal hoch: Die Bohrlöcher passen nicht und für die Installation der neuen Lampe müssen die noch angepasst werden. Also wieder runter und am nächsten Tag nochmal das Ganze. Dann klappt alles. Es dauert nur ganz schön lange. Ader-Endhülsen sind ja schon auf ebener Erde nicht ganz einfach aufzusetzen und einzufädeln. Hoch oben im schwankenden Mast ist das eine echte Herausforderung, und dauert eben.

Aber am Ende ist alles installiert. Als wir am nächsten Abend die Laterne ausprobieren, merken wir, dass nicht nur die Ankerlaterne, sondern auch die Dreifarbenlaterne viel heller leuchtet. Wir sind sehr zufrieden.

La Palma: Auch ohne Auto gibt es viel zu unternehmen

Bis der Wind dreht und uns zu unserem nächsten Ziel segeln lässt, machen wir immer wieder schöne Ausflüge. Das Bussystem ist hier erstens sehr günstig und zweitens kommt man fast überall problemlos hin. Die Buslinien starten alle von der nahe gelegenen Stadt Los Llanos und durchziehen die gesamte Insel. Die Bushaltestelle in Los Llanos ist zudem direkt neben Lidl: sehr praktisch. Einkaufen ist also sehr easy. Kurz: Es fehlt uns hier an nichts. Immer wieder machen wir schöne Wanderung durch die grandiose Landschaft, bummeln durch die Stadt oder nutzen das herrlich warme Wetter für ausgedehnte Strandnachmittage. Das Wasser ist angenehm warm, allerdings braucht man Flipflops, um an die Wasserlinie zu kommen. Der schwarze Sand ist dermaßen aufgeheizt, dass es nicht möglich ist, barfuß ins Wasser gehen.

Neue Baustelle

Nach Austausch des Abwasserventils haben wir plötzlich wieder Wasser in der Bilge, zunächst nur ein paar Tropfen, aber doch stetiger Nachschub. Nach einiger Zeit - wir hatten schon wieder das Abwasserventil in Verdacht - stellt Ansgar fest, das der Krümmer am Ölkühler leckt. Aha, das hatten wir schon mal. In Acoruna hatten wir den durchgerosteten Krümmer auf der anderen Seite des Ölkühlers erneuern müssen. 

Wir versuchen es erst nochmal, indem wir die Schellen etwas fester anziehen. Aber der Schuss geht sozusagen nach hinten los, und am nächsten morgen haben wir richtig viel Wasser unter dem Ölkühler. Also: raus damit. Der Zugang zu den Schrauben ist eigentlich nicht wirklich vorhanden und wir müssen uns mit einigen Stunden "Bootsjoga" quälen, bis das Teil ausgebaut ist. Das gibt es auch nichts mehr zu retten. Unsere Freunde hier in La Palma helfen uns, einen Schlosser zu finden und übernehmen die Übersetzung ins Spanische. Sehr hilfreich. Tausend Dank!

Nach einer knappen Woche können wir den neuen Krümmer abholen. Bis hierhin war alles recht leicht.

Der Einbau ist eine andere Sache: Für zwei Schrauben brauchen wir gefühlt 1000 Anläufe und insgesamt gut drei Stunden. Zwischendurch kam schon leicht Verzweiflung auf. Aber die gute Nachricht: Das Ding sitzt und nach nun zwei Probeläufen scheint auch alles dicht zu sein. Wir sind mal optimistisch. Am Sonntag dreht der Wind und das wollen wir ausnützen, um nach Porto Santo zu segeln.